Neubau am Steinweg 1-3 leider nur mit Tiefgarage
Auch nach der Ratssitzung am 22. 3. 2023, wissen wir immer noch nicht, wie viele Stellplätze das Neubau am Steinweg 1-3 jetzt haben soll. Das hängt davon ab, auf welche Zahl sich der Investor letztlich mit der zuständigen Behörde der Region Hannover einigen wird. Das Thema würde nur dann für den Rat der Stadt Gehrden relevant, falls es dort keine Einigung gibt.
Mein Antrag (der von Stephan Fromm unterstützt wurde, und damit praktisch zu einem Antrag der Ratsgruppe Partei/Linke wurde) zielte hingegen darauf ab, den Neubau ohne Tiefgarage zu ermöglichen, und scheiterte, wie nach den Debatten in den Ausschüssen (MSB und BSP) absehbar war, an den Gegenstimmen aller anderen Fraktionen. Nur Nina Grote und Gisela Wicke bei den Grünen enthielten sich.
In Gehrden fordert man also nur die halbe Verkehrswende. Wir sind uns zwar einig, dass wir den ÖPNV ausbauen wollen, aber das ist nur die eine Hälfte der Verkehrswende. Die andere Hälfte der Vekehrswende würde darin bestehen, den Platz, der für Autos reserviert ist, nicht reduzieren, aber selbst da, wo wir es könnten, machen wir es nicht.
Berufstätige können in Gehrden nämlich meistens nicht auf ein Auto verzichten, dafür ist der ÖPNV nicht gut genug ausgebaut; Rentner hingegen könnten das, und in anderen Bundesländern (namentlich: Bayern) wird dies auch in der Stellplatzverordnung berücksichtigt. Da die Stellplätze in einer Tiefgarage teuer sind (selbst wenn man sie nicht nutzen will), hätte ich den zukünftigen Mietern (oder Käufern) im Steinweg 1-3 gerne diese Kosten erspart.
Weiter führe ich diese Punkte in meiner hier wieder gegeben Rede aus. Zusätzlich habe ich eine Liste mit Links erstellt, sowohl für die Berichterstattung zum Steinweg 1-3, als auch mit einigen interessanten Videos zur der Debatte über Parking Minimums in Nordamerika, wo das Problem intensiver diskutiert wird.
Weiterführende Links
- Eintrag für meinen Antrag im Ratsinformationssystem der Stadt Gehrden
Berichterstattung der Calenberger Zeitung zum Steinweg 1-3
- Diskussion um geplanten Neubau am Gehrdener Steintor (19.1.)
- Streit um Parkplätze am Steintor (1.3)
- Neubau am Steintor: Investoren hoffen auf Ausnahmeregelung (17.3.)
Videos zur Debatte über Parking Minimums in Nordamerika (auf Englisch):
- The story of the planning policy that went to far (2 Min.)
- The high cost of free parking (7 Min.)
- How Free Parking Destroys Urban Wealth (18 Min.)
Meine Rede für die Ratssitzung am 22.3.
Sehr geehrte Anwesende, Sehr geehrte Zugeschaltete im Livestream,
der aktuelle Stand der Sachlage, was den Neubau am Steinweg 1-3 betrifft, wurde in der Calenberger Zeitung wiedergegeben. Vorgesehen waren vom Investor ursprünglich 26 Stellplätze in einer Parkanlage im Erdgeschoss. Die Region Hannover fordert aber 44 Stellplätze, was das ganze Projekt in Frage stellt. Dafür wäre auf jeden Fall eine teure Tiefgarage erforderlich und unter Umständen würde der Investor das Projekt wegen ‚Unwirtschaftlichkeit‘ aufgeben müssen; Zitat: „Die Kosten wären erheblich und wirtschaftlich kaum darstellbar.“
Wenn die Verwaltung nicht ganz aktelle, neue Informationen hat, warten wir also die Entscheidung der zuständigen Behörde bei der Region Hannover ab. Falls diese auf einem Stellplatzschlüssel von 1,0 und 44 Stellplätzen bestehen sollte, dann gehe ich davon aus, dass wir als Rat einen Weg finden würden, den Neubau trotzdem mit einem geringen Stellplatzschlüssel zu ermöglichen. Die rechtliche Zuständigkeit für die Vorgaben über die Stellplätze liegt nämlich in Niedersachsen seit einigen Jahren bei den Kommunen; nur weil Gehrden keine Stellplatzsatzung hat (oder eine vergleichbare rechtliche Vorschrift), gilt die Vorgabe des Landesrechts, welche in diesen Fall offenbar durch eine Behörde der Region Hannover angewendet wird. Falls sich also der Investor und die zuständige Behörde nicht einig werden sollten, dann wird uns das Thema im Rat weiterhin beschäftigen.
Mir geht es mit dem hier vorliegenden Antrag aber um deutlich mehr! In würde gerne reale Schritte in Richtung einer Verkehrswende unternehmen. Als Kompromiss bei den Gesprächen mit der zuständigen Behörde könnte sich ja auch z.B. eine Zahl von 35 Stellplätzen ergeben. Ich hätte aber gerne die ursprüngliche Zahl von 26, weil wir die Zahl der Stellplätze für die Verkehrswende reduzieren müssen.
Ich bin keinesfalls gegen das Autofahren als solches. Im Gegenteil, in der Debatte um die Sanierung der Alten Straße habe ich betont, dass wir dort weiterhin einen Stellplatz pro Wohneinheit brauchen – denn wer berufstätig ist, und in Hannover arbeitet, braucht in Gehrden, das nicht an das Schienennetz des ÖPNV angeschlossen ist, wahrscheinlich ein Auto – zumindest bei schlechtem Wetter, um damit zum Park&Ride Parkplatz zu kommen. Bei gutem Wetter ist zwar viel eher denkbar, das Fahrrad zu nehmen, und wenn dann die Linie 500 bis nach Weetzen verlängert ist, geht das auch mit dem Bus; aber selbst dann ist die Entscheidung grenzwertig.
Für Seniorinnen und Seniorinnen und hingegen kann die ÖPNV-Anbindung von Gehrden als ausreichend gelten; und die zentrale Bushaltestelle Gehrdens am Steintor ist direkt vor der Tür des Neubaus. Auch Drogerie und Supermarkt sind in unmittelbarer Nähe.
Dort, wo Stellplatzsatzungen speziell auf das andere Nutzungsverhalten von Senioren eingehen, wird dies auch anerkannt. Exemplarisch dafür an dieser Stelle nochmal der Hinweis auf die Garagen- und Stellplatzverordnung in Bayern; dort macht man für „Gebäude mit Altenwohnungen“ eine Vorgabe von nur „0,2 Stellplätzen je Wohnung“ [Quelle: Gesetze-Bayern.de]. In Niedersachsen, hingegen, wird diese andere Nutzungsverhalten von Senioren im Allgemeinen nicht berücksichtig – was gerade der Grund ist, warum wir eine eigene Stellplatzsatzung für Gehrden erstellen sollten, damit wir das berücksichtigen können.
Dies ist die beste Möglichkeit, die wir absehbarer Zeit haben werden, um die Verkehrswende voranzubringen; denn die Zahl der Stellplätze für Berufstätige zu reduzieren, wird schwierig, weil sie aus dem genannten Grund oft ein Auto brauchen. Umgekehrt ist es schwierig, den ÖPNV auszubauen, weil die Zahl der Nutzenden oft gering ist. Nur diesem Fall haben wir tatsächlich die Möglichkeit dazu, die Zahl der Stellplätze zu reduzieren.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Geschäftsordnung erlaubt zur Begründung eines Antrages eine Redezeit von bis zu 10 Minuten. Wegen der Tragweite des Problems will ich diese etwas weiter ausschöpfen.
Die westliche Zivilisation leidet unter ihrer Auto-Illusion! Die Vorstellung, wir würden alle in kleineren Städten leben, und könnten – alle – mit dem Auto zur Arbeit fahren, ist gefährlich. Das Zentrum der Wirtschaft liegt in Großstädten, und wenn dort jeder mit dem Auto zur Arbeit fährt, kollabiert der Verkehr. Wenn man das Problem dadurch lösen wollen würde, dass man breitete Straßen und mehr Parkplätze baut – die berüchtigte ‚autogerechte Stadt‘ – dann verwandelt man die Großstädte in eine Asphalt- und Betonwüste, in der viel zu viel Platz für Schnellstraßen und Parkplätze verwendet wird. Glücklicherweise hatte man das in den 1960ern in den meisten europäischen Großstädten rechtzeitig gemerkt, und die Straßenbahn-Netze zu Stadtbahnen ausgebaut. In Nordamerika hingegen hat man oft die Straßenbahnen ersatzlos abgebaut, so dass dort die Probleme mit der Verkehrsplanung noch viel schlimmer sind.
Gehrden hatte allerdings damals seinen Straßenbahn-Anschluss verloren, weswegen die Auto-Illusion hier vielleicht stärker ausgeprägt ist als in Ronnenberg, Wennigsen und Barsinghausen, wo man immerhin seit der Expo 2000 die S-Bahn hat. Ein Beispiel: In der öffentlichen Debatte um den vorliegenden Antrag kam die Frage auf, wo denn eine Familie parken will, um die Großeltern am Steinweg 1-3 zu besuchen, wenn es dort keine Parkplätze gibt. Naja, außerhalb der Marktzeiten haben wir in Gehrden kein großes Parkplatzproblem. Sie finden dann schon einen Parkplatz, sie müssten halt ggf. nur einige 100 Meter zu Fuß gehen.
Wie viel soll uns denn die Bequemlichkeit wert sein, mit dem Auto von Tür zu Tür fahren zu können? Die Wohnungen im Steinweg 1-3 würden erkennbar preisgünstiger werden, wenn dort keine Tiefgarage gebaut werden muss. Genaue Zahlen habe ich natürlich nicht, aber in Bezug Nordamerika, wo die Debatte teilweise intensiver geführt wird als in Europa, heißt es, dass ‚parking minimums‘ die Kosten pro Wohneinheit um 50 – 70.000 $ erhöhen. [Quelle: Dieses Video auf Youtube] Ich würde gerne den zukünftigen Mietern oder Käufern am Steinweg 1-3 diese Kosten ersparen, und bitte daher noch mal um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag.
Danke für ihre Aufmerksamkeit.