
Im Wahlkreis 34 Barsinghausen zur Wahl zum 19. Niedersächsischen Landtags am 9. Oktober 2022 (der neben Barsinghausen auch die Kommunen Gehrden und Seelze umfasst) hängen aktuell (August 2022) meine Wahlplakate. Ich fordere dort die Energiewende – ohne Gazprom und Fracking. Damit beziehe ich mich natürlich auf zwei Debatten, die einen längeren Blogeintrag sinnvoll machen.
Als ich Mitte Juli die Plakate in Auftrag gegeben habe, war durchaus absehbar, dass es eine Debatte um Fracking in Norddeutschland geben könnte. Dass diese Debatte von dem bayrischen Ministerpräsidenten imitiert wird, damit hatte ich allerdings nicht gerechnet (Bericht des BR).
Hier ist die Stellungnahme des Landesvorsitzenden meiner Partei dazu. Fracking lehnt DIE LINKE. Niedersachsen kategorisch ab: „Die Energiekrise kann nur durch den konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien überwunden werden.“
Die zweite Debatte ist natürlich die über Nordstream und Erdgas aus Russland. Eine Minderheit in meiner Partei fordert, trotz des Krieges in der Ukraine, weitere Ergasimporte aus Russland, aber ich halte das für falsch. Mittel- und langfristig kann Niedersachsen ohne Energieimporte auskommen – und wenn man die erneuerbaren Energien rechtzeitig ausgebaut hätte, wäre Niedersachsen bereits energieautark und wir wären nicht in der Verlegenheit, dass Russland uns von der Gasversorgung abschneiden könnte.
Flüssiggas ist nur eine Zwischenlösung!
Deswegen ist an dieser Stelle leider auf die innerparteilichen Meinungsverschiedenheiten der LINKEN einzugehen. Wenn sowohl Klaus Ernst (Bericht der Berliner Zeitung) als auch Sahra Wagenknecht (Bericht der Welt), die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 fordern, stellen sie sich gegen die geltende Beschlusslage der Partei!
In Leitantrag 3, Kriege und Aufrüstung stoppen, der auf dem Bundesparteitag am 27.7.angenommen würde, heißt es: „Es ist richtig, dass angesichts des Ukrainekrieges Nordstream 2 nicht in Betrieb genommen wird.“ Statt dessen fordert DIE LINKE eine „Deckelung des Abnahmepreises [für russisches Erdgas] auf das Vorkriegsniveau“ , sowie, in Leitantrag 1, als langfristiges Ziel, „Hundertprozentige Versorgung mit erneuerbaren Energien bis 2035“.
Was ist aber nun kurzfristig, wenn Russland, als Reaktion auf die westlichen Sanktionen, die wiederum die angemessene Reaktion auf den Angriff auf die Ukraine sind, die Gaslieferungen an Deutschland einstellt? Die Geschichte mit der einsamen Gasturbine in Mülheim (die eigentlich für den Betrieb der aktiven Pipeline Nord Stream 1 gedacht ist), ist gerade (18.8.) aktuell (Bericht bei N-TV). Dies gilt nur als ein Vorwand von Russland, die Gaslieferungen zu reduzieren. Offenbar brauchen wir für die Gasversorgung diesen Winter eine Alternative.
Eine Hoffnung ist natürlich, dass Norwegen (Bericht der Zeit) oder die Niederlande (Bericht der Tagesschau) mehr Erdgas nach Deutschland liefern können. Das dürfte aber schwierig werden und würde sicherlich nicht hinreichend sein. In dieser Hinsicht könnten die geplanten Flüssiggasterminals, die bereits Ende 2022 in Betrieb gehen sollen, helfen. Diesem Bericht von t-online zu Folge sind dies je eines in Wilhelmshaven und Brunsbüttel, sowie ein weiteres, privat betriebenes, in Stade. Brunsbüttel liegt in Schleswig-Holstein, aber Stade und Wilhelmshaven sind natürlich Hafenstädte in Niedersachsen, deswegen ist dies ein wichtiges landespolitisches Thema. Der 4. Standort für Flüssiggasterminals ist Lublin in Mecklenburg-Vorpommern. Sascha Boden, Referent bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH), weist allerdings darauf hin, dass diese zusätzlich Terminals gar nicht benötigt würden: „‘Neue Import-Infrastruktur für fossiles Gas ist in Deutschland unnötig, weil das Land auf das mehr als ausreichende europäische Verbundnetz zurückgreifen kann – das haben zahlreiche Analysen eindeutig gezeigt.‘ Neue fossile Importrouten zu schaffen sei also nicht nur unnötig. Es sei auch unvereinbar mit den deutschen Klimaschutzzielen.“ (Artikel der Geo)
Flüssiggas, abgekürzt auch ‚LNG‘ (englisch für: ‘liquified natural gas‘) ist nämlich ökologisch sehr bedenklich. Zum einem erfordert die Verflüssigung von Erdgas zusätzliche Energie, zum anderen wird das Erdgas, das mit LNG-Tankschiffen transportiert wird, teilweise auch mit Fracking gewonnen. Befürchtet wird, sicherlich nicht ganz unbegründet, dass die zusätzliche Infrastruktur dann auch für längere Zeit genutzt werden soll, und so der Ausstieg aus der Nutzung des fossilen Brennstoff Erdgas hinaus geschoben wird. Es muss daher klar sein: Auch das russische Erdgas wäre nur eine Brücke gewesen, bis Deutschland seinen Energiebedarf vollständig durch erneuerbare Energien decken kann. Kurzfristige Maßnahmen um die russischen Erdgas-Importe zu ersetzen dürften nicht dazu führen, dass die Energiewende insgesamt verzögert wird.
Energieautarkie in Niedersachsen wäre möglich
Damit hat sich jegliche Debatte um Fracking in Niedersachsen (oder auch den Bau neuer Atomkraftwerke) erledigt. Damit ließe sich nämlich nur mittel- bis langfristig Energie erzeugen – und wenn in Deutschland bis 2035 nur noch erneuerbare Energie erzeugt werden soll, brauchen wir das dann gar nicht mehr!
Solar-, Wind, und Biogas könnten nicht nur 100% des Energiebedarfs in Niedersachsen decken, wenn man ihren Ausbau mit der nötigen Intensität betrieben hätte, wären wir jetzt auch bereits Energieautark und nicht von dem Import von Erdgas aus Russland (oder in Zukunft aus Katar) abhängig.
Das Energieautarkie in einem kleinen Maßstab möglich ist, zeigt der Ort Feldberg in Brandenburg. (Bericht des DF). Zum einen hat man dort Windkraftanlagen, zum anderen eine Biogasanlage mit Wärmekraftwerk und eine Batterieanlage, um auch bei fehlenden Wind Strom zu haben. Dies würde sicherlich auch für ein Flächenland wie Niedersachsen funktionieren (für die sehr urbanen Bundesländer Bremen, Hamburg, Berlin, sowie Nordrhein-Westfalen hingegen weniger).
Auch im größeren Maßstab ist Energieautarkie bereits realisiert, wie das Beispiel Uruguay zeigt. Hier ist ein Video der DW dazu, auf Englisch. Das Video skandalisiert zwar, dass die arme Bevölkerung ca. 15 % ihres Einkommens für Energie ausgeben muss – aber eine Professorin, die zu Wort kommt, sagt ausdrücklich, dass der Energiepreis jetzt etwas niedriger ist, im Gegensatz zu früher, wo Uruguay fossile Energieträger importieren musste.
Nun ist die Bevölkerungsdichte von Niedersachsen etwas 8x so groß wie die von Uruguay, aber zwei der wichtigsten Maßnahmen für die Energiewende benötigen auch keine nennenswerte Fläche. Die eine Maßnahme besteht natürlich im Energiesparen. In ihrem Leitantrag 1 fordert DIE LINKE ein „massives Förderprogramm“: „14 Millionen fossile Heizanlagen müssen durch Wärmepumpen ersetzt werden.“
Die zweite Maßnahme besteht im Bau von Solaranlagen auf Hausdächern. In Leitantrag 1 wird die Solardachpflicht gefordert: „Wir setzen uns für verpflichtende Solardächer ein: nicht nur für Neubauten, sondern auch für geeignete Bestandsgebäude. Für Mehrfamilienhäuser braucht es ebenfalls einen geförderten, verpflichtenden Ausbau von Solardächern, auch um die Energiekosten für Mieter*innen zu senken und die Energiewende für sie attraktiv zu machen.“
Nun ließe sich Energieautarke sicherlich nicht allein über Solarananlagen auf Dächern und eine Reduktion des Energieverbrauches erreichen. Selbst mittelfristig (bis 2035) wäre ein entsprechender flächendeckender Ausbau der Solarenergie wohl kaum zu schaffen. Daher müssen wir auch die beiden anderen erneuerbaren Energien ausbauen – Windenergie und Biogas. Und dafür sind, anders als bei Solaranlagen auf Hausdächern, neue Flächen erforderlich.
Das Problem des Flächenverbrauchs
Die Debatte um den Ausbau der Windkraft im Bundestag im Juli ist aufschlussreich. Als Teil des sog. „Osterpakets zum Ausbau der erneuerbaren Energien“ wurde u.a. ein Ausbau der Windkraft von 31.000 Anlagen auf 120.000 Anlagen beschlossen (Bericht auf der Seite des Bundestages). Der Redner der AfD warf daher der Regierungskoalition vor, den deutschen Wald abholzen zu wollen, um Windkraftanlagen zu bauen. Ob es möglich wäre, der AfD zu erklären, dass man bei ungebremsten Klimawandel den deutschen Wald sowieso abholzen müsste, um andere Baumarten zu pflanzen, die besser mit Hitze und Trockenheit umgehen können? Wie jemand auf Twitter kommentierte:
Gott sei Dank haben wir auf die Konservativen gehört, die jahrzehntelang meinten, dass Windräder & Solarkraftwerke die „Landschaft verschandeln!!!“. Jetzt haben wir weitgehend ungestörten Blick auf die schönen Waldbrände, klasse (RaykAnders)
Natürlich wäre der Versuch, der AfD zu erklären, dass der Klimawandel real ist, und dass wir die Energiewende schaffen müssen, um dessen katastrophale Auswirkungen unter Kontrolle zu halten, vergeblich. Die Klimaleugner sind unfähig, wissenschaftliche Tatsachen anzuerkennen. In seiner Reder trug der Abgeordnete der AfD ja sogar das Gerücht weiter, Windkraftanlagen würden gesundheitsschädlichen Infraschall erzeugen, dabei ist das längt widerlegt. Wie der BR berichtet, hatte der Autor einer technischen Studie vor 15 Jahren einen Rechenfehler gemacht.
Die Klimaleugner sind aber nicht die einzigen, die den Ausbau der Windkraft wegen dem Flächenverbrauch ablehnen. Vom Bayrischen Rundfunk gibt es auch einen interessanten Bericht über die Verzögerung beim Bau von Windkraftanlagen: „Andreas Hirschmann ist Chef der Bürgerenergiegenossenschaft Pfaffenhofen und hat einen Traum: ‚Hier im Förnbacher Forst wünsche ich mir noch drei weitere Windenergieanlagen um unabhängig zu werden von ausländischen Energieimporten.‘ Drei neue Windräder wollen die Pfaffenhofener bauen doch mehrere Klagen verzögern das Projekt […]“ Begründet werden die Klagen einer Bürgerinitiative unter anderem mit Artenschutz, aber recherchiert man weiter, stößt man auch einen Bericht des Donaukurier, dem zu Folge sich die die „artenschutzrechtlichen Einwände“ auf Zauneidechse, Wespenbussard und Uhu beziehen. Diese drei Tierarten werden von der IUCN (Wikipedia) als ‚nicht-gefährdet‘ eingestuft. Ich dachte immer, das Ziel des Artenschutzes sei der Schutz der bedrohten Tierarten, nicht der Schutz jeglicher Fauna. Wenn die Lebensräume von Zauneidechse, Wespenbussard und Uhu grundsätzlich nicht reduziert werden dürfen, dann dürfte man ja außerhalb der bereits dicht besiedelten Gebiete fast keine Infrastruktur mehr bauen, also z.B. auch keine Autobahnen.
In diesem Fall kann der Artenschutz kein Argument gegen den Ausbau der Windkraft sein. Bei tatsächlich bedrohten Arten ist das anders – Deutschland sollte systematisch Nationalparks und Schutz für alle einheimischen bedrohten Tier- und Pflanzenarten ausbauen, so dass ihr Erhalt dauerhaft gesichert ist. Aber gerade deswegen muss der Klimawandel aufgehalten werden, weil dadurch die Biotope gefährdeter Arten zusätzlich vom Verschwinden bedroht sind.
Die Politik muss in der Lage sein, Windkraftanlagen auch gegen den Widerstand der Neinsager vor Ort zu genehmigen. In dem Bericht des DF zu Feldberg in Brandenburg wird erwähnt, dass die Windräder dort höher sind, als der Kölner Dom, aber nicht, dass sich deswegen jemand beklagt hätte.
Gaspreisdeckel! Lieber Verstaatlichung statt Gasumlage
Dass dieser Blogeintrag einen Fokus auf den Flächenverbrauch für die Energiewende legt, hat einen einfachen Grund: Wo die Windkraftanlagen gebaut werden, wird teilweise im Niedersächsischen Landtag entschieden. Die Kommunen entscheiden das teilweise auch – jedenfalls ist es ein landespolitisches Thema. Die Frage hingegen, wer die Kosten der Energiewende trägt, wird grundsätzlich im Bundestag entschieden. Aktuell an den Debatten um den Gaspreisdeckel und die Gas-Umlage sehen.
Der Gaspreisdeckel wurde von den LINKEN in Bremen vorgeschlagen, die dort als Teil ein Rot-Rot-Grünen-Koalition an der Landesregierung beteiligt ist. Wenn möglich, würden die Preiserhöhungen, was den Grundbedarf jedes Haushalts betrifft (8000Kwh, plus 4000 KwH je zusätzliche Person im Haushalt), gedeckelt (Bericht bei buten un binnen). Die Differenz zum eigentlichen Preis des Energieversorgers SWB würde entweder vollständig aus dem Landeshaushalt, oder teilweise durch wenig sparsame Kunden mit einem höheren Gasverbrauch bezahlt. Bei der Senatskanzlei gibt es jedoch rechtliche Bedenken: „Einer Kommune und einem Land fehlen“, so der Senatssprecher, „die rechtlichen und die finanziellen Möglichkeiten dafür.“ Die maximal 60 Millionen €, welche DIE LINKE. an Kosten schätzt, wären einem Gesamthaushalt von 5 Milliarden €, finanziell durchaus vertretbar. Und auch rechtliche sollte das möglich sein: Wieso dürfte eine Landesregierung nicht einen Vertrag mit dem Energieversorger des Landes machen, einen Teil des Gaspreise für die Privathaushalte zu übernehmen? Was beim deutschen Föderalismus offenbar nicht möglich wäre, wäre ein Landesgesetz, dass die Gaspreise reguliert.
Der Bundestag hingegen könnte auf jeden Fall ein Gesetz machen, dass die Gaspreise aus sozialen Gründen reguliert – oder gleich die Gasversorger verstaatlichen. Aber wie wahrscheinlich ist das, so lange Bundesregierung aus einer Koalition unter der Beteiligung der FDP besteht? Von der Gasumlage profitiert vor allem der Energiekonzern Uniper (Bericht des BR), der seit 2017 mehrheitlich dem Energiekonzern Fortum gehört. Dort wiederum sitzt der ehemalige FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rössler im Aufsichtsrat. Bereits 2019 titelte RP Online in einem anderen Zusammenhang: Uniper macht hohe Verluste – jetzt könnte Philipp Rösler helfen.
Das ist der berüchtigte Drehtüreffekt in der Politik. Unternehmen gewinnen Einfluss auf die Politik, indem sie ehemaligen Politikern gut bezahlte Posten verschaffen. Das Problem liegt allerdings nicht nur bei der FDP. Wie ein Bericht der Tagessschau aufzeigt, entstand der Uniper-Konzern gegen den Willen des Bundeskartellamts unter der Regierung Schröder: „Nicht nur, dass die Geschichte ein ‚Geschmäckle‘ hatte: Die Beteiligten im Ministerium, [Werner] Müller [parteilos, aber ein Freund von Schröder] und [Alfred] Tacke [SPD], wechselten nicht allzu lange nach der umstrittenen Entscheidung in Führungspositionen im Verbund der Unternehmen, deren Zusammenschluss sie ermöglicht hatten.
Eine Marktwirtschaft braucht nicht ohne Grund ein Kartellamt. Wenn sich Monopole bilden, z.B. auf dem Gasmarkt, kann offenbar von einem freien Wettbewerb nicht mehr die Rede sein. Auch marktliberale Theoretiker wollen nicht, dass Monopolkonzerne durch ihre marktbeherrschende Stellung Profite machen (Profite sollen im Kapitalismus stattdessen durch Innovation entstehen). Die Gasumlage ist in dieser Hinsicht nur die Fortsetzung einer Politik, die den Energiekonzernen ihre Gewinne ermöglicht. Anstatt Uniper durch die Gasumlage zu retten wäre es daher eher angemessen, ihn zu verstaatlichen – er hat eine solche marktbeherrschende Stellung, dass er durch das Kartellamt eigentlich nicht genehmigt worden wäre.
„Kohle-Abbau für Superreiche“ – wie Finanzieren wir die Energiewende?
Wieso die Gasumlage ungerecht ist, erklärt die taz in einem Kommentar, der sich statt dessen für den Gaspreisdeckel ausspricht: „ Hierfür [bei der Gasumlage] sollen alle Verbraucher:innen den gleichen Aufpreis pro Kilowattstunde zahlen, egal wie wie arm oder reich sie sind. Auf die Haushalte kommen deshalb Mehrkosten von Hunderten Euro pro Jahr zu. Der Sozialverband VdK warnt, dass dies viele ärmere Menschen in den Ruin treiben wird. Unerträglich ist die Gas-Umlage auch, weil die Ampel scheinbar meint, die offensichtliche Alternative ignorieren zu können: den Gaspreisdeckel.“
Es gibt einen Unterschied zwischen Grundbedarf und Luxus. Eine hinreichend warme Wohnung im Winter (18-20°C?) gehört auf jedem Fall zum Grundbedarf, und man kann von denen, die so arm sind, dass sie die Erhöhungen des Energiepreises nicht bezahlten könnte, nicht erwarten, dass sie auf eine warme Wohnung verzichten. Man kann aber von Menschen, die mehr Geld haben, durchaus erwarten, dass sie auf etwas anderes verzichten. Gerecht wäre ein Gaspreisdeckel, der durch einen höheren Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer oder die Wiedereinführung der Vermögenssteuer bezahlt wird; ungerecht hingegen ist es, wenn die gestiegen Kosten für Energie gleichmäßig auf alle Einwohnenerinnen und Einwohner umgelegt werden, unabhängig von ihrem Einkommen. An dieser Stelle ist sicherlich nicht der Platz, die Debatte um Verteilungsgerechtigkeit aufzurollen – aber offenbar wäre es ungerecht, Menschen frieren zu lassen, weil sie sich die gestiegenen Kosten für die Heizung nicht leisten können.
Aufgrund des Preisschocks bei Erdgas durch den Krieg in der Ukraine tritt jetzt der Verteilungskonflikt auf, der sich im Rahmen der Energiewende sowieso ergeben hätte. Tatsächlich sind es jedoch zwei Verteilungskonflikte. Der Klimawandel verursacht nämlich beträchtliche Kosten – die meisten davon in der Zukunft, ein Teil aber schon jetzt (Bericht der Tagessschau). Die Generation, die jetzt zur Schule geht wird diese Kosten tragen müssen – die Schülerinnen und Schüler, die bei Fridays for Future auf die Straße gegangen sind, treten für ihre eigenen langfristigen Interessen ein. Es handelt sich also um einen Verteilungskonflikt zwischen der gegenwärtigen und den zukünftigen Generationen, und um einen Verteilungskonflikt zwischen Arm und Reich. Es wäre ungerecht, zukünftige Generationen mit den Kosten und Gefahren der sich abzeichnenden Klimakatastrophe zu belasten – und es wäre ungerecht, von den Armen zu erwarten, für die Energiewende zu frieren. Die Kosten für die Energiewende müssen also von der Mittelschicht und den Reichen getragen werden. DIE LINKE fordert: Kohle-Abbau bei Superreichen zur Finanzierung der Klimakosten; und vielleicht reicht das Geld der reichsten 1% dafür sogar aus, wenn man es umverteilt. Realistischer dürfte es aber sicherlich sein, wenn die Kosten der Energiewende etwa auf die 30 reichsten Prozent der Bevölkerung verteilt werden.
Als Beispiel dafür bietet sich nicht das Thema ‚Heizen‘ an, sondern das Thema ‚Fliegen‘. Einer Umfrage für das ARD-Morgenmagazin zu Folge, Fliegen 63% der Bevölkerung gar nicht oder selten. Diese wäre also (fast) auch gar nicht davon betroffen, wenn Flugzeugreisen demnächst deutlich teurer werden müssten, weil der CO2-Ausstoß von Flugzeugen enorm ist. Nun lässt sich Kerosin grundsätzlich als E-Fuel erzeugen, klimaneutral (Bericht der taz über eine Pilotanlage in Niedersachsen). Sicherlich würde Fliegen erst einmal deutlich teurer werden, wenn man in absehbarer Zeit (bis 2035!) E-Fuels für Flugzeuge verpflichtend machen würde, um den Ausstoß von Treibhausgasen auf Null zu reduzieren – aber diese Kosten beträfen vor allem die reichsten 30% der Bevölkerung, die durchaus in der Lage ist, für zukünftige Generationen jetzt auf einigen Luxus zu verzichten. Wenn man realistisch von einem Wirtschaftswachstum von 1% jährlich ausgeht (vgl. Piketty, Kapital im 21, Jh., S. 107 & 131), dann ist dieser Lebensstandard in gut einem Jahrzehnt wieder erreicht. Das sollten einem die zukünftigen Generationen doch sicherlich wert sein.