Vorkaufsrecht ausüben – und dann?
Nachdem das Haus am Steinweg 25 in der Gehrdener Fußgängerzone durch einen Investor gekauft wurde (siehe den vorherigen Blogeintrag), steht im nicht-öffentlichen Verwaltungsausschuss am 17. August die Debatte an, ob die Stadt Gehrden ihr Vorkaufsrecht ausüben soll. Stephan Fromm, mit dem zusammen ich eine Ratsgruppe gebildet habe, ist keinesfalls der einzige Lokalpolitiker, der das Ausüben des Vorkaufsrechts fordert – aber er ist derjenige, der am schnellsten die Pressemitteilung geschrieben hat. Hier ist der Artikel der Calenberger Zeitung.
Ein Grund, aus dem ich selbst noch keine PM dazu veröffentlich hatte, war, dass ich erst überlegen wollte, welche gewerblichen Nutzungen denn für das Grundstück vernüftigerweise in Frage kämen. Ein typisches Wohn- und Geschäftsgebäude mit einer großen Ladenfläche im Erdgeschoss mit Sicherheit nicht! – Das wäre nämlich viel zu groß, und in die von der vorherigen Investorin dafür betriebenen Debatte hatte ergeben, dass der dafür erforderliche Bebauungsplan keine Mehrheit im Rat der Stadt haben würde. Deswegen bin ich für die Ausübung des Vorkausfsrechts: Ich habe kein Interesse, diese Debatte noch einmal zu führen!
Dies heißt jedoch nicht, dass eine gewerbliche Nutzung des Grundstückes völlig undenkbar wäre. Ein Café mit Fokus auf Außenbetrieb im Sommer, das nur eine kleine Ladenfläche braucht, könnte z.B. funktionieren. Wenn man die (in meinem vorherigen Blogeintrag verlinkten) Stellungnahmen von Malte Losert liest, gewinnt man jedoch den Eindruck, dass sich die Investoren darüber noch gar keine Gedanken gemacht haben. Wenn ein entsprechendes gewerbliches Nutzungskonzept vorläge, und von den Investoren öffentlich präsentiert würde, dann könnte man darüber reden. Unter den gegebenen Umständen stellt sich jedoch nur die Frage, ob die Stadt Gehrden selbst noch eine gewerbliche Nutzung in Betracht ziehen sollte, nachdem sie das Grundstück über das Vorkaufsrecht erworben hat.
Zur Bedeutung des Wohls der Allgemeinheit
Das Vorkaufsrecht im Baugesetzbuch (Gesetze im Internet) ist nicht ohne Voraussetzungen: „Das Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. […] Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat die Gemeinde den Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben.“ Ich denke, die Stadt Gehrden sollte ‚Sanierung, zumindest von Teilen des Gebäudes, und öffentliche Nutzung‘ als Zweck angeben.
Die Sanierung des Gebäudes ist sicherlich durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt. Der Denkmalschutz genießt für die Allgemeinheit einen hohen Stellwert, und in diesem Fall wäre dieses Ziel schon allein deswegen nur durch die Ausübung des Vorkaufsrechts zu erreichen, da sich für einen Investor wohl kaum noch Rendite erzielen ließe, wenn er die Kosten für die Sanierung tragen muss. Der Käufer zumindest beabsichtigt den Abriss: „Fest steht, dass das Gebäude abgerissen werden muss. Die Bausubstanz sei abgängig, so ein Käufer. Ein Erhalt des alten Hauses sei nicht möglich.“ (HAZ online vom 15.7.)
Die Frage ist allerdings, ob es durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt wäre, wenn die Stadt das Gebäude erst kauft und saniert, und dann für eine gewerbliche Nutzung vermietet. Schließlich ließe sich argumentieren, dass der Investor dies ebenfalls leisten könnte. Der wichtige Unterschied natürlich zwischen dem von Investor (über Malte Losert) signalisierten „offenen Bürgerdialog“ und dem vom Stephan Fromm vorgeschlagenen Ideenwettbewerb ist natürlich, dass bei einem Ideenwettbewerb auf Konzepte zum Zug kommen können, mit denen sich kein Geld verdienen ließe.
Für eine öffentliche Debatte um die Nutzung nach der Sanierung
Der Ansatz von Stephan Fromm zielt offenbar darauf ab, die Kosten für die Stadt zu minimieren, indem man das Gebäude dann wieder an einen Investor verkauft. „Der Gewinner des Ideenwettbewerbs erhalte dem Vorschlag von Fromm zufolge die Möglichkeit, die Immobilie zuzüglich der Zwischenfinanzierungskosten durch die Stadt Gehrden zu erwerben.“ (Artikel der Calenberger Zeitung) Für mich wirkt das wie an Versuch, den Kuchen zu essen und trotzdem zu behalten. Wenn die Stadt das Fachwerkgebäude erhalten will (zumindest teilweise), dann muss sie auch die Kosten dafür tragen – ein privater Investor würde das nicht bezahlen, zumindest keiner, der irgendwie Rendite erwirtschaften möchte. Nur ein gemeinnütziger Verein könnte u.U. in Frage kommen.
Stephan Fromm ist zwar Vorsitzender der Ratsgruppe Partei/Linke, aber wir haben ausdrücklich eine Ratsgruppe ohne Fraktionszwang gebildet. Es ist also kein Problem, wenn ich hier eine andere Meinung habe. Anstelle eines Ideenwettbewerbs würde ich eine öffentliche Debatte um die weitere Nutzung nach der Sanierung wünschen – diese lässt sich dann aber auch im öffentlichen Teil des Bauausschusses führen, man bräuchte nicht unbedingt eine eigene Veranstaltung mit Bürgerbeteiligung dazu; diese könnte man natürlich auch machen. Dabei müsste man aber erstmal die Ergebnisse des Nutzungskonzepts abwarten, dass schon länger bei der Verwaltung in Arbeit ist. Wir müssen erst wissen, welche Teile des Gebäudes erhaltenswert sind (oder denkmalrechtlich sogar erhalten werden müssen), bevor wir sinnvoll darüber diskutieren können, wie das Gebäude nach der Sanierung aussehen soll.
Nach den bisherigen Überlegungen kommt allerdings nur eine öffentliche Nutzung in Frage. Dies muss nicht durch die Stadt Gehrden sein, es könnte auch ein Verein (z.B. die Calenberger Musikschule) sein. Es sollte aber klar sein, wieso es keine private gewerbliche Nutzung sein kann. Der Versuch, die Kosten für die Sanierung durch eine gewerbliche Vermietung wieder herein zu bekommen, wäre wohl nicht mehr im Sinne des Allgemeinwohls. Allerdings sollte die Stadt sich einen Ausweg offenhalten, falls sich die Kosten für die Sanierung als zu hoch herausstellen. Als Angabe des Verwendungszwecks bei der Ausübung des Vorkaufsrechts würde ich daher vorschlagen:
‚Die Stadt Gehrden beabsichtigt das Gebäude, zumindest in Teilen, zu sanieren, und für öffentliche Aufgaben zu nutzen. Sollten sich die Kosten für die Sanierung als unverhältnismäßig hoch herausstellen, so würde die Stadt Gehrden das Gebäude ersatzlos abreißen und das Grundstück zur Erweiterung des Marktplatzes nutzen.‘
Auch das zweite ist im Sinne des Allgemeinwohls und könnte nicht durch einen privaten Investor vorgenommen werden. Ich denke, der Marktplatz könnte, für den Wochenmarkt Donnerstag durchaus etwas größer sein. Aber selbst, wenn man der Ansicht wäre, dass der Marktplatz aktuelle groß genug ist, so würde man doch stattgeben müssen, dass eine Erweiterung desselben eher im Interesse der Allgemeinheit wäre, als ein geschichtsloser Neubau am Steinweg 25.