Steinweg 25 – das nächste Kapitel?

Die Geschichte bisher…

Am Steinweg 25, im Zentrum der Gehrdener Fußgängerzone und direkt vor der Kirche, steht ein baufälliges Fachwerkhaus. Eine Investorin wollte dort eine Gewerbeimmobilie errichten; dies scheiterte aber, weil entweder der Vorstand der Margarethenkirche, als Nachbar, hätte zustimmen müssen – was nicht geschah – oder weil ein entsprechender Bebauungsplan hätte beschlossen werden müssen – für den es im Rat keine Mehrheit gab. Der Vorschlag der Investorin wäre deutlich größer gewesen als das Bestandsgebäude. 

2019 hatte ich eine Enteignung des Gebäudes gefordert (Bericht der HAZ). Das wurde damals natürlich im Rat komplett abgelehnt, hatte aber durchaus einen Effekt. Oppositionspolitik wirkt bekanntlich so, dass die eigenen Anträge zwar abgelehnt, dann aber einige Jahre später von der Mehrheitsfraktion bzw. der Regierungskoalition in veränderter Form selbst gestellt werden. Das ist dann auch passiert. Anfang 2022 brachten CDU und Grüne einen Antrag ein, ein Rechtsgutachten einzuholen (Bericht der HAZ), welche Maßnahmen in Frage kommen, „um gegen gestalterische Missstände durch ein vernachlässigtes Gebäudes vorzugehen.“ Von der SPD kam offenbar schon vorher der Vorschlag, dass Gebäude zu kaufen; in dieser Hinsicht hätte das Rechtsgutachten die Verhandlungsposition für die Kaufverhandlungen verbessert (weiterer Bericht der HAZ). 

Ein Wahlkampf-Coup des CDU-Kandidaten?

Jetzt sind jedoch alle Überlegungen zum weiteren Vorgehen erstmal hinfällig. Einem Artikel der Calenberger Zeitung vom 15.7.2022 war zu entnehmen, dass ein Investoren-Duo aus Gehrden und Seelze die Immobilie gekauft habe.

Hier ergeben sich zwei Fragen. Zum einen: Wer genau sind die Investoren? Wer kauft eine baufällige Streit-Immobilie? Und warum? Die dringende Frage ist jedoch, wieso der Bürgermeister-Kandidat der CDU in diesem Zusammenhang so eine prominente Rolle spielt. Die Calenberger Zeitung schreibt: „Begleitet wird der Prozess von Malte Losert.  ]…] ‚Die Investoren sind auf mich zugekommen‘, sagt er. Nach den ersten Gesprächen mit der Immobiliengesellschaft habe er einen positiven Eindruck.“

Hier ist zunächst eine Besonderheit des Wahlkampfes in Gehrden zu erklären. Sowohl CDU als auch Grüne haben für die Bürgermeisterwahl im Herbst einen Kandidaten aufgestellt, der nicht Mitglied ihrer Partei ist und bislang über kein kommunalpolitisches Mandat verfügt. Das ist gemeint, wenn Malte Losert als „parteiloser Kandidat der CDU“ beschrieben wird. Wenn die Calenberger Zeitung berichtet, dass CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Spieker die Entwicklung begrüßen würde, dann darf man aber sicherlich davon ausgehen, dass das unter den Spitzenpolitikern der CDU in Gehrden abgesprochen war.

Das mindeste, was man der CDU hier vorwerfen muss, ist fehlende Kommunikation; vgl. dazu die Stellungnahme der Grünen. Der Rat der Stadt Gehrden war, nach Jahren des Stillstands, endlich auf dem Weg, das Problem anzugehen.  Selbst wenn die Investoren ein ehrliches Interesse daran haben, zu einer Lösung des Problems beizutragen, dann werden sie dies nicht erreichen, wenn sie dazu den Weg über einen demokratisch nicht-legitimierten Bürgermeister-Kandidaten wählen. Sie hätten entweder die Wahlen abwarten sollen, oder sich direkt an jemanden von der Verwaltung wenden können, insbesondere den amtierenden Bürgermeister. Entsprechend deutlich fällt die Stellungnahme der SPD aus, die sich von der CDU (und den Grünen), bei dem Versuch, die Immobilie zu kaufen, ausgebremst sehen.  

Der Autor eines Leserbriefes bei con-nect geht in der Kritik  noch weiter. Es gehe nicht um „Wahlkampfgetöse“, sondern schlicht um „wirtschaftliche Interessen“, der, so die Spekulation, CDU-nahen Investoren: „Das zukünftige Wirtschaftlichkeitskonzept der Immobilie geht offensichtlich davon aus, dass die Stadt Gehrden als sicherer Mieter feststeht.“

Wie kann es jetzt weitergehen?

Welches Ziel die Investoren damit verfolgen, der Bürgermeister-Kandidaten der CDU mit ins Boot zu holen, erschließt sich mir jedenfalls nicht. Die CDU alleine hat keine Mehrheit für einen Bebauungsplan, sie wäre zumindest auf die Stimmen von Grünen oder SPD angewiesen. Rechtlich ist es durchaus zulässig, wenn ein Investor sich politische Unterstützung holt, in dem er Menschen beauftragt, die kommunalpolitisch aktiv sind – aber in Gehrden sollte man dafür, bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen, mindestens zwei Personen beauftragen, die verschiedenen Parteien nahestehen. Ich persönlich finde diese Art von Lobbyarbeit moralisch nicht in Ordnung.  

Gehrden braucht an der Stelle sicherlich keine Gewerbeimmobilie; es fehlt dort in der Fußgängerzone komplett an Parkmöglichkeiten, und bei einer Gewerbefläche mit einer Größe, die für moderne Geschäfte sinnvoll ist, müsste das Gebäude zu groß ausfallen. Das ist aber auch nicht unbedingt geplant. In dem Artikel der Calenberger Zeitung vom 15.7.2022 wird Malte Losert mit dem Vorschlag zitiert, dort  „neben einem Bürgerbüro [..] auch das Familien- und Service-Büro“ unterzubringen. Dabei haben sich die Investoren offenbar auf einen Abriss und Neubau festgelegt: „Fest steht, dass das Gebäude abgerissen werden muss. Die Bausubstanz sei abgängig, so ein Käufer. Ein Erhalt des alten Hauses sei nicht möglich.“

Wenn das Gebäude vollständig abgerissen werden soll, dann ergibt es auch keinen Sinn, es als Bürgerbüro oder dergl. zu nutzen. Den Verwaltungsbetrieb auf mehrere Gebäude zu verteilen ist immer mit etwas zusätzlichem Aufwand verbunden. Wenn man sowieso neu bauen wollte, um zusätzliche Räume für die Verwaltung zu schaffen, dann würde sich ein Anbau des Rathauses anbieten. Das Grundstück dafür (nämlich Hüttenstraße 1), ebenfalls mit einem nicht-sanierten Fachwerkhaus, das abgerissen werden müsste, gehört bereits der Stadt. So dringend ist der Raumbedarf der Stadtverwaltung allerdings nicht, auf absehbare Zeit besteht hier hoffentlich kein Handlungsbedarf. Nur umgekehrt ergibt es Sinn, einen kleinen Teil der Verwaltung in das Fachwerkhaus am Steinweg 25 auszulagern – nämlich dann, wen dies der einzige Weg ist, dieses Fachwerkhaus weiter zu nutzen.   

Wenn sich der ältere Teil Fachwerk-Teil des Gebäudes mit vertretbaren Kosten sanieren lässt, dann sollte die Stadt das tun, und könnte dort unter Umständen ein Teil des Bürgerbüros, die Marktaufsicht oder auch nur öffentliche Toiletten unterbringen.  Wenn dies nicht möglich ist, dann sollte man das Gebäude ersatzlos abreißen, und die Fläche zur Erweiterung des Marktplatzes nutzen.

In meinen früheren Beitrag hatte ich mich für einen ersatzlosen Abriss des Gebäudes ausgesprochen, aber eine Sanierung und eine Nutzung durch die Stadtverwaltung, wenn dies nicht zu teuer ist, wäre eine besser Option. Damit habe ich im Übrigen eine ähnliche Position wie die FDP in ihrer Stellungnahme vom 22.7.  Stephan Fromm von der Partei ‚Die Partei‘, mit dem zusammen ich eine Ratsgruppe gebildet habe, hat allerdings eine andere Position (siehe seinen Blogeintrag vom 21.7.): Er hofft auf ein „geeignetes Nutzungskonzept“ der Investoren; die Stadt Gehrden kommt als Mieter nicht in Frage.

Ich persönlich bin skeptisch, ob es ein solches Nutzungskonzept geben kann. An einem ersatzlosen Abriss oder an einer Sanierung kann ein Investor allerdings nichts verdienen. Die Stadt muss daher ihr Vorkaufsrecht ausüben! §24, Abs. 1, Satz 3. Baugesetzbuch, sieht, „in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet“ ein Vorkaufsrecht der Gemeinde vor (Gesetze im Internet), und die Innenstadt von Gehrden ist ein Sanierungsgebiet. Dem Bericht der HAZ vom 21.7. zu Folge wird darüber im Verwaltungsausschuss am 17.8. entschieden.

Nachtrag: con-nect hat noch eine erweiterter Stellungnahme von Malte Losert veröffentlicht. Es ist allerdings weiterhin unklar, wieso sich die Investoren ausgerechnet an ihn gewandt haben, und ob er für seine Tätigkeit in diesem Zusammenhang eine Gegenleistung erhält. Außerdem scheinen die Investoren zwar nicht über ein Nutzungskonzept zu verfügen, dafür aber über ein potentiell schwerwiegendes Missverständnis: “ Die bereits diskutierte Idee, das Bürgerbüro dort eventuell neu zu platzieren, erachte auch ich [Malte Losert] als sinnvoll. Eine Ergänzung um weitere Anlaufstellen für Bürgerinnen und Bürger wäre aus meiner Sicht wünschenswert und erweitern diesen Ansatz. Hierbei handelte es sich lediglich um einen ersten Ideenaustausch mit den Investoren. Ob am Ende die Stadt Gehrden, Gewerbe, Gastronomie oder Wohnungen in das überplante Gebäude Einzug erhalten, entscheiden die Investoren.“

Die Investoren entscheiden selbstverständlich NICHT über den Bebauungsplan, sondern der Rat! Die bisherigen Debatten haben gezeigt, dass es für ein größeres Gebäude an der Stelle keine Mehrheit im Rat gibt, die meisten Nutzungen sind also ausgeschlossen – zumindest wäre der Neubau so klein, dass sich mit dessen Vermietung kein Geld verdienen ließe. Dass die Stadt Gehrden einen Investor mit dem Bau eines Gebäudes für eine öffentliche Nutzung beauftragt, kommt aber, allein aus finanziellen Gründen, auch nicht in Frage.

Man hätte das Nutzungskonzept abwarten sollen, das bei der Stadtverwaltung in Arbeit ist. So verkomplizieren die Investoren die Sache nur.

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