Thesenpapier zur Verkehrspolitik

In einer Arbeitsgemeinschaft der LINKEN, deren Mitglied ich bin, ist derzeit eine Broschüre zur Verkehrspolitik in Arbeit. Da der Bau von vielen Straßen und die Streckenführung von Buslinien auf der Ebene der Gemeinden und Landkreise (bzw. der Region Hannover) beschlossen wird, ist Verkehrspolitik eines der wichtigsten kommunalpolitischen Themen. Zentrale Forderungen für eine Verkehrswende müssen zwar bundespolitisch gestellt werden, aber viele konkrete Maßnahmen können nur auf kommunalpolitische Ebene beschlossen werden. Außerdem hat die junge Welt ein Interview zu dem Thema mit Michael Fleischmann (für DIE LINKE. in der Regionsversammlung Hannover) veröffentlicht.

Dies ist Anlass genug, meine Überlegungen zu dem Thema in ein Thesenpapier zu fassen. Es versteht sich von selbst, dass es sich um eine Diskussionsgrundlage handelt, nicht um bereits feststehende Positionen.

 

Thesen:

  1. Die durch den Autoverkehr verursachen ökologischen Probleme sind bekannt. Dessen CO2-Ausstoß ist im Interesse der zukünftigen Generationen nicht hinnehmbar. In städtischen Regionen kommt die Gesundheitsbelastung durch Stickoxide und Feinstaub und der Platzbedarf für Parkplätze und Schnellstraßen hinzu. Das Problem der Belastung durch CO2 und NOX (Stickoxide) lässt sich durch Elektro- oder Wasserstoffautos lösen, aber das Problem des Platzbedarfs nur durch einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.
  2. Es gibt zwei Gruppen, für die ein gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr wichtig ist: Die eine Gruppe besteht aus Menschen, die nicht über ein Auto verfügen, und daher auf öffentlichen Verkehrsmitteln angewiesen sind. Dazu zählen insbesondere SchülerInnen, Studierende und RentnerInnen. Für diese Gruppe ist ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr eine wichtige soziale Forderung.
  3. Die zweite Gruppe sind diejenigen, die zwar ein Auto haben, die man aber aus ökologischen Gründen überzeugt müsste, dieses Auto meistens stehen zu lassen. Vollständig auf ein Auto zu verzichten, ist für Haushalte mit mehreren Personen schwierig, da der wöchentliche Großeinkauf am besten mit einem Auto bewältigt werden kann. Entsprechende Angebote, die den vollständigen Verzicht auf ein eigenes Auto ermöglichen (insbesondere Carsharing), sollte es natürlich geben.
  4. Ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr ist für die Berufspendler der zweiten Gruppe kein hinreichender Anreiz, auf die Nutzung des Autos zu verzichten. Die Fahrtkosten spielen hier fast keine Rolle. Stattdessen kommt es darauf an, den öffentlichen Nahverkehr so auszubauen, dass die typischen Pendlerrouten mit dem öffentlichen Nahverkehr schneller zu bewältigen sind als mit dem Auto.

5.Da wahrscheinlich nur begrenzt Geld für solche Maßnahmen zur Verfügung steht, gibt es hier einen Zielkonflikt zwischen der sozialen Forderung nach einem kostenlosen öffentlichen Nahverkehr und der ökologischen Forderung nach einem Ausbau desselben.

  1. Bei der Finanzierung tritt das gleiche Problem auf wie bei anderen Fragen des sozial-ökologischen Umbaus. Um den Verbrauch an begrenzten Ressourcen zu reduzieren (die Kapazität des Ökosystems zur Aufnahme von CO2 lässt sich als begrenzte Ressource verstehen), müssen diese stärker besteuert werden. Diese Steuerungswirkung ist gerade das politische Ziel, führt aber dazu, dass Menschen mit geringeren Einkommen, die z.B. auf die Nutzung des Autos angewiesen sind, dafür an andere Stelle sparen müssen, was als linker Sicht nicht akzeptabel ist. Die aus ökologischen Gründen geforderten Steuererhöhungen müssen also sozial kompensiert werden.

 

Mögliche Forderungen:

  1. Um die ökologischen Kosten des Autoverkehrs spürbar zu machen sind eine Erhöhung von Mineralölsteuer (und ggf. KFZ-Steuer) und die Abschaffung der Pendlerpauschale unvermeidlich. Um dies sozial zu kompensieren müssen der Mindestlohn, der Sozialhilfesatz (von Arbeitslosen, die sich bewerben, wird erwartet ein Auto zu haben) und die unteren Rentenniveaus erhöht werden. Außerdem ist natürlich die Forderung nach einer Erhöhung der unteren Tariflöhne zu unterstützen.  Eine linke Partei kann solche Öko-Steuern nur zusammen mit der sozialen Kompensation derselben fordern. Dies ist natürlich eine bundespolitische Forderung; sie ist wichtig, um zu erklären, wie man den gewünschten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs finanzieren will.
  2. Ländliche Regionen brauchen einen kostenlosen Nahverkehr mit der Anpassung des Angebots an die dann entstehende Nachfrage. Da die Nachfrage nach bestimmten Busverbindungen im ländlichen Raum aber gering ausfallen dürfte, und Berufspendler viel weniger das Problem haben, mit dem Auto im dichten Verkehr zu stehen, wird dies sicherlich nicht reichen, um Pendler dazu zu bewegen, aufs Auto zu verzichten. Langfristig käme dafür vielleicht eine gezielte Raumplanung in Frage; Wenn dies politisch angestrebt werden soll, dann müssten Industrie und Gewerbe in ländlichen Regionen auf bestimmte (Klein-)Städte konzentriert werden, die (vorzugsweise über ein Schienennetz von Regionalbahnen) gut miteinander verbunden sind.
  3. In städtischen Regionen ist die Fragestellung komplexer. In Großstädten, die über ein Stadtbahn-Netz oder U-Bahn-Netz verfügen, ist es vielleicht sinnvoller, das Geld in den Ausbau der Schienennetze zu investieren, um die Fahrtzeiten für Berufspendler zu verkürzen, damit diese sich dafür entscheiden, das Auto stehen zu lassen. Dazu lässt sich aber nur schwer eine allgemeine Aussage treffen, da sich der Ausbaustand des Schienennetzes und die Belastung durch den Autoverkehr in verschiedenen Großstädten unterscheiden. Es kommt auf die KommunalpolitikerInnen vor Ort an, konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, oder auf die örtlichen Verwaltungen hinzuwirken, diese zu entwickeln.
  4. Verständlicherweise habe ich mich mit der Situation des öffentlichen Nahverkehrs in der Region Hannover am ausführlichsten beschäftigt. In dem neuen Busfahrplan vom Dezember 2019 setzt die Region Hannover auf zusätzlicher ‚Sprinter‘-Linien [ ], und hat dafür verschiedene Verbindungen zu den S-Bahn-Stationen im Umland zurück gefahren (z.B. wurde die Linie 350 gestrichen). Da Busse anders als S-Bahnen und U-Bahnen durch dichten Verkehr genauso verlangsamt werden, ist dies sicherlich die falsche Strategie. Wer nur gelegentlich in die Stadt fährt, zieht wahrscheinlich eine Direktverbindung vor, bei der man nicht verschiedene Umsteigemöglichkeiten vergleichen muss, aber für jene Berufspendler, die man zum Verzicht auf das Auto bewegen will, kommt es am meisten auf die Gesamtfahrzeit an.
  5. Der offensichtliche Vorteil von Busverbindungen ist natürlich, dass sie deutlich einfacher einzurichten sind als Straßenbahnlinien. Das Problem, das Busse auch durch dichten Verkehr verlangsamt werden, lässt sich durch eigene Busspuren (insbesondere an den Ampeln) minimieren, ich wüsste aber bislang kein konkretes Beispiel dafür in der Region Hannover, das sich politisch fordern ließe. Klassische Straßenbahnen (die sich die Straße mit den Autos teilen) werden natürlich auch durch den Verkehr verlangsamt, aber, wenn genug Platz ist, lässt sich die Straßenbahn in einem Gleiskörper getrennt von der Fahrbahn führen, was, verglichen mit dem Bau einer U-Bahn, wesentlich geringere Investitionen erfordert. Dafür ist aber in den inneren Stadteilen von Hannover nicht genug Platz, deswegen brauchen wir die D-Linie als U-Bahn.
  6. Der Grund, aus dem der Tunnel für D-Linie bislang nicht absehbar ist, ist natürlich die Frage der Finanzierung. Wenn also das Geld dafür aufzutreiben wäre, so würde sich die Frage stellen, was eine höhere Priorität hat, der Ausbau des U-Bahn-Netzes oder ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr. Da es darum geht, die Fahrzeiten im öffentlichen Nahverkehr zu reduzieren, hat der Ausbau des U-Bahn-Netzes dann größere Priorität. Vielleicht kann man aber wenigstens die Busse im Umland kostenlos machen. Ideal um die Fahrtzeiten zu reduzieren wäre natürlich ein Anschluss von Gehrden und Pattensen an das S-Bahn-Netz, der bislang fehlt, dafür gibt es aber, anders als für den Ausbau des U-Bahn-Netzes, noch nicht einmal Planungen.

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