Hinweis für die schriftliche Fassung: Der Haushaltsplanentwurf 2020/21 ist über diesen Link zu finden. In Klammern finden sie in diesem Text den Verweis auf die entsprechenden Seiten des Haushaltsplanentwurfs.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, sehr geehrte Ratskolleginnen und -kollegen, sehr geehrte Mitglieder der Verwaltung, Pressevertreter und Gäste
, sie können sich die Richtung, in die mein Beitrag zur Haushaltsdebatte geht, wahrscheinlich denken: Das Jahresergebnis im Ansatz für 2020 und 2021 ist mit JEWEILS über 7 Millionen € im Minus (S. 17). Was gibt es dazu wohl zu sagen?
Zunächst einmal will ich festhalten, dass es durchaus in Ordnung ist, wenn eine Kommune Geld ausgibt. Nehmen wir das Delfi-Bad: Für das Jahr 2020 ist ein Ergebnis von über MINUS 900.000 € vorgesehen (S. 36), für das Jahr 2021 ein Ergebnis von über MINUS 800.000 €. (S.37) Von diesen Zahlen bin ich selbst auch etwas geschockt, aber wir können uns ja eine einfache Frage stellen: Wollen wir in einem Land leben, in dem jedes Kind schwimmen lernen soll? Wenn ‚JA‘ – dann ist klar, dass wir öffentliche Schwimmbäder subventionieren müssen.
Nun ist die Position, dass nicht jeder Mensch schwimmen können braucht, immerhin eine zulässige Meinung, obwohl ich niemanden kenne, der sie vertritt. 504 Badetote in Deutschland 2018 sind zu viele.
In anderen Fällen stehen Ausgaben der Kommune gar nicht zur Disposition. Für den Neubau der Grundschule Am Castrum sind insgesamt knapp 13 Millionen € vorgesehen (S. 28), für den Neubau der Grundschule Am Langen Feld insgesamt knapp 10 Millionen (S.29). Diese Ausgaben sind unvermeidlich, sowohl rechtlich als auch politisch. Natürlich brauchen wir Grundschulen; und wenn Chancengleichheit im Bildungssystem angestrebt werden soll, dann müssen diese auch bestimmten Ansprüchen an Qualität genügen.
Das Problem hatten wir heute schon Mal in der Debatte um die Straßenausbaubeiträge. Auf die Straßensanierung zu verzichten ist keine Option. Bestimmte öffentliche Güter müssen durch die Kommune bereitgestellt werden (wie Schulen oder Straßen), oder sollten es zumindest (wie Schwimmbäder). Rechtlich ist dies die Unterscheidung zwischen kommunalen Pflichtaufgaben und freiwilligen Leistungen. Dem Haushaltsplanentwurf zu Folge machen die ‚freiwilligen Produkte‘ für 2020 und 2021 je ca. 1,5 Millionen des Defizits aus (S. 36&37) – das heißt, selbst wenn man vollständig auf diese verzichten würde, hätte man keinen ausgeglichenen Haushalt.
Das Problem ist nicht die Ausgaben-Seite, sondern die Einnahmen-Seite. Gehrden ist bei weitem nicht die einzige Kommune, die dieses Problem hat, viele Kommunen, die nicht ein sehr guter Standort für Gewerbe sind, haben es. Der Gesetzgeber schreibt den Kommunen vor, bestimmte Aufgaben zu übernehmen, ohne dass dabei die Finanzierung geklärt ist. Das Problem ist bekannt; die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes befasst sich damit auf Seite 10.
Dieses Problem wird sich auch nicht wirklich durch eine Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer lösen lassen. Laut Vorlage werden durch die heute vorgenommene Erhöhung Mehreinnahmen von unter 500.000 € jährlich erwartet. Das ist zwar mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, aber wird insgesamt nicht reichen.
Daher an dieser Stelle ein Vorschlag, wie die Stadt Gehrden Geld sparen könnte, ohne dass wir dafür zwangsläufig auf etwas verzichten müssten. Für die neue Sporthalle sind, 7 Millionen € eingeplant, das meiste davon für 2023/24 (S.25). Mein Vorschlag wäre, die Planung dafür fertig zu machen – und dann aber mit dem Bau zu warten, bis er von der Landesregierung über ein Förderprogramm (hinreichend) finanziert wird.
Die Förderung des Sports wurde extra in die Niedersächsische Landesverfassung aufgenommen, dann sollte auf Landesebene auch das Geld dafür da sein. Eine Landesverfassung ist kein unwichtiges Dokument, und das Land Niedersachsen hat deutlich mehr Einnahmequellen als die Stadt Gehrden. Außerdem gehe ich davon aus, dass man in Gehrden versteht, wie politische Lobbyarbeit funktioniert: 2021 sind wieder Landtagswahlen.
Wenn ich diesen Vorschlag mache, dann muss ich an dieser Stelle auch darauf eingehen, warum der Bau einer Sporthalle überhaupt auf der Agenda steht: Die Sporthalle der Oberschule ist sanierungsbedürftig – und die Erfüllung der Voraussetzungen von Schulsport ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen. Die Förderung des Vereinssports ist hingegen eine freiwillige Leistung. Das ist natürlich insofern etwas absurd, dass die Menschen, die Vereinssport betreiben, viel eher motiviert sind als beim Schulsport.
Während die Sporthalle der Oberschule dann irgendwann 2025 oder später neu gebaut (oder grundsaniert?) wird, muss der Schulsport natürlich weitergehen, und deswegen bräuchte man eine weitere Sporthalle. Aber wieso kann man zu diesem Zweck nicht bei dem Neubau der Grundschule Am Castrum dort eine 3-Feld-Halle mitplanen? Insbesondere, weil die Stadthalle für den Neubau der Schule abgerissen wird, und man eine solche 3-Feld-Halle auch so planen könnte, dass sie für Kulturveranstaltungen genutzt werden kann. Sobald der Neubau einer Sporthalle an der Oberschule abgeschlossen ist, könnte man dann die bisherige, kleinere Sporthalle der Grundschule Am Castrum für den Vereinssport nutzen.
Natürlich wird auf diese Weise der Neubau der Grundschule Am Castrum teurer. Insgesamt dürfte diese für die Stadt Gehrden jedoch deutlich preisgünstiger ausfallen, und, wie gesagt, der Neubau einer 3-Feld-Halle für den Vereinssport ist damit nicht ausgeschlossen – es käme nur auf die Fördermöglichkeiten durch das Land Niedersachsen an.
Die Landesregierung in die Pflicht zu nehmen ist die einzige Strategie, die ich sehe, wie mit der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen umzugehen ist. Das Problem besteht ja nicht darin, dass die Kommunen schlecht wirtschaften würden, sondern dass ihnen öffentliche Aufgaben erfüllen müssen, die ihnen entweder zugewiesen sind (wie Schulgebäude) oder die zur Recht als selbstverständlich gelten (wie öffentliche Schwimmbäder) – ohne dass der Gesetzgeber die Frage der Finanzierung dieser Ausgaben geklärt hat. Eine Reform der Finanzierung der Kommunen wäre eines der dringendsten Themen für die Bundespolitik. Meine eigene Partei kommt dabei leider kaum voran, weil die Themen ‚Wohnen‘, ‚Pflege‘ und ‚Steuergerechtigkeit‘ noch dringender sind.
Deswegen habe ich mich bei der Vorlage für die Erhöhung der Grundsteuer und der Gewerbesteuer auch enthalten, schließlich kam es für das Ergebnis nicht auf meine Stimme an. Grundsätzlich bin ich selbstverständlich dafür, Steuer zu erhöhen, um die von mir unterstützten öffentliche Ausgaben zu finanzieren. Es ist ja nicht so, dass der Staat die Steuerzahler ausplündern würde, die Steuerzahler erhalten etwas dafür. Aber die Möglichkeiten, die einer Kommune hat, um die Steuerlast gerecht zu verteilen, sind sehr begrenzt. Mit der Gewerbesteuer erfasst man z.B. nicht jene Konzerne, die groß genug sind, um ihre Gewinne in Steueroasen zu verlagern. Die Kommunalpolitik hat zwar zu den meisten Fragen der Besteuerung nichts zu entscheiden – aber auch in der Kommunalpolitik kann man mehr Steuergerechtigkeit fordern.
Im Interesse eines zügigen Ablaufs der Sitzung verzichte ich auf weitere Ausführungen. Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.