Öffentliche Güter und Besteuerung in einer Demokratie

Der letzte Beitrag lief auf eine grundsätzliche Positionierung in der Steuerpolitik hinaus. Bei dem Thema bietet es sich an, die Frage, wie die Besteuerung in Demokratie funktionieren sollte, in Analogie zu einem Sportverein zu erklären. Die Steuern der Bürger in einem Staat sind dann vergleichbar mit den Mitgliedsbeiträgen in einem Sportverein. Wenn ein Sportverein beschließt, zum Beispiel neue Fußballtore zu kaufen, und dafür nicht genug Geld in der Kasse ist, dann sollte man zugleich beschließen, die Mitgliedbeiträge zu erhöhen, entweder auf einer Mitgliederversammlung, oder als der von den Mitgliedern gewählte Vorstand. Auf ähnliche Weise können in einer Demokratie die Bürgerinnen und Bürger beschließen, wie viele Steuern erhoben werden, und welche öffentlichen Güter davon finanziert werden sollen.  Genauso wie es bei Vereinen aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit eine Staffelung der Mitgliedbeiträge nach dem Einkommen der Mitglieder geben kann, gibt es in einer Demokratie eine ‚Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit‘ (so der juristische Fachbegriff).

Ein wichtiger Unterschied ist natürlich der, dass man seine Staatsbürgerschaft bei weitem nicht so einfach ablegen kann, wie eine Vereinsmitgliedschaft. Ein anderer Unterschied ist der, dass moderne Staaten sehr viele Bürgerinnen und Bürger haben; was also für alle Vereine außer die ganz großen geht, alle Stimmberechtigten an einem Ort zu versammeln und direkt abzustimmen, geht für eine moderne Demokratie nicht, Entscheidungen werden also durch gewählte Repräsentanten (vielleicht vergleichbar mit dem Vorstand in einem Verein) gefällt.

Und bei diesem Teil des demokratischen Entscheidungsprozesses hakt die ganze Sache derzeit in Deutschland. Die Politiker müssten es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, direkt darüber abzustimmen, wie viele Steuern sie zahlen wollen und welche öffentlichen Güter bereitgestellt werden sollen. Das heißt natürlich nicht, dass man die Steuern beliebig senken könnte, im Gegenteil. Ein Staat ohne Polizei, Schulen, Feuerwehr, Straßen und andere essentielle Infrastruktur ergibt so wenig Sinn wie ein Fußballplatz ohne Tore; selbst wenn man einfach nur auf einer grünen Wiese Fußball spielt, muss man irgendwas als Tormarkierung nutzen. Genauso braucht ein Staat irgendeine Form von Polizei und öffentlicher Verwaltung – sonst ist es kein Staat, sondern weiterhin der Naturzustand. Für eine arbeitsteilige Gesellschaft, in der alle Menschen bestimmte Fähigkeiten brauchen, benötigt man allgemeinbildende Schulen, wenn Menschen in Städten zusammen leben, benötigt man öffentliche Straßen, und wenn die Menschen in den Großstädten mit dem Auto dann im Stau stehen, bietet es sich an, nicht nur Straßen zu finanzieren, sondern auch einen öffentlichen Nahverkehr. Wenn man darüber nachdenkt, dann gibt es nicht viel Spielraum, Steuern zu sparen.

Allerdings – bei der Förderung des Sports gibt es tatsächlich Spielraum. Dabei ist die Kommune nicht der einzige Ansprechpartner, es gibt auch Förderprogramme über das Ministerium oder den Landessportbund (?). Die Förderung des Sports wird ausdrücklich in der Niedersächsischen Landesverfassung genannt (§6), noch vor Arbeit und Wohnen (§6a). Aber bei diesen Förderprogrammen durch das Land gibt es einen nicht unbeträchtlichen Verwaltungsaufwand. Anstatt dass die Kommune einen bestimmten Geldbetrag für jeden Bürger, den sie für Sport ausgeben sollte hat (oder, z.B., einen festen Betrag für jedes Kita- und Schulkind), gibt es Förderprogramme und Zuschüsse – um an diese heranzukommen, muss es aber bei der Verwaltung, oder, in diesem Fall auch bei den Sportvereinen, jemanden geben, der sich damit beschäftigt und eine Förderungsmöglichkeit findet. Dies ist zwar besser als nichts, aber aus demokratischer Sicht vielleicht nicht optimal – denn wer entscheidet nun darüber, wieviel Steuergeld für die Förderung des Sports ausgegeben wird? Der Landtag, der ein Förderprogramm beschlossen hat, oder die Kommune, die förderungsfähige Investitionen für den Sport tätigen, dabei aber auch eigenes Geld einsetzen müssen?  In einer Demokratie sollte doch eigentlich klar sein, welches Gremium von gewählten Repräsentanten über so etwas entscheidet – der Stadtrat in einer Kommune oder der Landtag in Hannover?  Wäre es nicht ehrlicher, der Landtag würde beschließen einen Finanzschlüssel beschließen, wie viel Geld jede Kommune abhängig von der Einwohnerzahl für die Förderung des Sports ausgeben sollte, und die Kommune könnte über dieses Geld vergleichsweise frei verfügen?

Das, was ich gerne vorschlagen würde, dass nämlich die Stadt Gehrden den Sportstättenbedarfsplan vollständig erfüllt, und die Kosten dafür durch eine Form der progressiven Besteuerung gegenfinanziert, kann ich bei der gegenwärtigen Entscheidungsstruktur nämlich nicht vorschlagen. Die Stadt Gehrden hat zwar Entscheidungsspielraum bei der Erhebung der Grundsteuer und der Gewerbesteuer, aber dieser ist nur begrenzt, und diese Steuern sind auch nicht so progressiv wie z.B. eine Vermögensteuer oder die Erbschaftssteuer. Höhere Steuern für Reiche sind nicht zuletzt deswegen gerechtfertigt, weil die Reichen offenbar größere Vorteile von der öffentlichen Infrastruktur haben als der durchschnittliche Bürger – nämlich ihren Reichtum. Oder sie haben ihren Reichtum nicht durch eigene Arbeit erhalten, sondern aus den Zinsen für ihr Vermögen; ja, da stellt sich doch die Frage, wieso der Staat Schulden macht, und sich von den Reichen das Geld leiht, anstatt diese stärker zu besteuern?

Natürlich lassen sich solche Fragen nur auf Bundesebene entscheiden. Aber das Bewusstsein dafür muss auch kommunaler Ebene geschaffen werden.

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