Neuere Irritationen in der Kommunalpolitik, Teil II
Der dritte Leserbrief in der Calenberger Zeitung am 29.10. hatte mehrere AutorInnen, und bezog sich auf einen Bericht von der Jahreshauptversammlung der CDU, und die Aussagen des Vorsitzenden der CDU Gehrden, Thomas Spieker
„Wir dürfen bei alldem das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts nicht aus dem Blick verlieren“, mahnte der Vorsitzende an.
Den Schuldenstand des städtischen Haushalts akzeptiere die CDU nicht. Zum Schluss wird Spieker nachdenklich: „Demokratische Mehrheitsentscheidungen werden zunehmend lächerlich gemacht von Menschen, die das Thema anders sehen.“
Vor allem der letzte Satz ist natürlich krass. Im Zusammenhang mit der in dem Leserbrief von Dr. A. Weiß zitierten Aussage von Klaus Dörffer (CDU) in der Diskussion im Bauausschuss über die Ansiedlung von Bosselmann stellt sich schon die Frage, ob sie bei der nächsten Kommunalwahl 2021 ihren Fraktion weniger Sitze wünschen. Die AutorInnen des Leserbriefs würden sich sicherlich wünschen, dass Spieker nochmal über seinen Satz zu „demokratische Mehrheitsentscheidungen“ nachdenkt. Vielleicht käme er ja zu der Einsicht,
dass sich in diesen Reaktionen von Bürgern ein steigendes Demokratiebedürfnis zeigt, und nicht die Ablehnung demokratischer Prozesse. Menschen geben sich eben nicht mehr damit zufrieden, hinzunehmen, was die Politiker abgeschlossen in ihren Gremien entscheiden – sondern erwarten, dass sie ihre Entscheidungen erläutern, bevor sie sie treffen, und mit den Menschen diskutieren müssen.
Diese Kritik bezieht sich natürlich nicht nur auf die Haushaltspolitik, aber dies ist ein wichtiges Beispiel dafür. Die Gehrdener CDU war in diesem Zusammenhang auch schon mal besser informiert. Im März 2017 hatte sie eine Resolution in den Stadtrat eingebracht, die insbesondere die Landesregierung aufforderte, den Kommunen mehr Finanzmittel für die Kinderbetreuung bereit zu stellen. Diese Resolution wurde dann auch beschlossen.
In dem Text der Resolution ist sich die CDU klar bewusst, dass es einen rechtlichen Unterschied gibt zwischen den freiwilligen Aufgaben einer Kommune und den Pflichtaufgaben. Zumindest bei der parteinahen Stiftung der LINKEN gehört dies auch zum Grundwissen für Politiker. (Linke Kommunalpolitik zur Einführung, S. 33-35)
Um die Tragweite dieser Unterscheidung zu verstehen, reicht Blick in die Nachbarkommune (die zum gleichen Landtagswahlkreis gehört wie Gehrden). Seelze hat auch ein massives Haushaltsdefizit, und wird auch langfristig nicht in der Lage sein, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, egal wie viel es an den freiwilligen Leistungen sparen würde. Dies geht z.B. aus einem Artikel über den Haushalt 2017 hervor. Es
werde deutlich, dass Seelze auf Dauer selbst die Pflichtaufgaben und die unbedingt notwendigen Aufgaben zur Erhaltung der vorhandenen Infrastruktur nur durch Kredite finanzieren kann. Die dauernde Leistungsfähigkeit der Stadt sei nicht sichergestellt. Die Kommunalaufsicht genehmigt die Kreditaufnahmen für Investitionen von rund 8,7 Millionen Euro für dieses Haushaltsjahr.
Wenn eine Kommune selbst ihr Pflichtaufgaben nur erfüllen kann, in dem sie Kredite aufnimmt, dann kann die Kommunalaufsicht die Aufnahme dieser Kredite wohl kaum verweigern. Die entscheidende Kennziffer für kommunale Haushaltspolitik ist also als erstes das Verhältnis der Ausgaben einer Kommune für Pflichtaufgaben zu ihren Einnahmen. Wenn dieses Verhältnis bei über 100% liegt, dann ist es praktisch unmöglich, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Ich hoffe, wir wissen diesbezüglich für Gehrden demnächst näheres, wenn die Bilanzen seit 2010 aktualisiert sind (die Eröffnungsbilanz für die Buchführung nach der Doppik liegt ja erst seit diesem Monat vor).
Mit dieser Unterscheidung lässt sich nun auf die Debatte um die Sportstätten eingehen, bei der ja erwartungsgemäß die begrenzten Finanzmittel der Kommune eine entscheidende Rolle spielen werden.
Sporthallen für den Schulsport bereit zu stellen gehört zu den Pflichtaufgaben einer Kommune, Sporthallen für die Sportvereine bereit zu stellen gehört zu den freiwilligen Aufgaben. Interessant ist die Frage, wie es mit einem Hallenbad aussieht. Es ließe sich ja, weil es für das Schulschwimmen erforderlich ist, auch als Pflichtaufgabe ansehen, ansonsten würde es aber als freiwillige Aufgabe zählen. Natürlich handelt es sich bei dieser Unterscheidung nur um eine rechtliche. Moralisch ist eine Kommune sicherlich kaum weniger verpflichtet, ihr erwachsenen Bürgern die Möglichkeit zu geben, in einer Halle Sport zu machen, als nur für Kindern und Jugendliche an den Schulen. Zumindest lässt sich bei Erwachsenen Menschen davon ausgehen, dass sie freiwillig Sport machen, bei Schülern im Schulsport bin ich mir da nicht so sicher.
Und da liegt das Dilemma der Kommunalpolitik. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, zu Recht, dass eine Kommune eine Vielzahl öffentlicher Güter bereitstellt. Im Kommunalwahlkampf 2016 hatte ich das anhand des Hallenbades in Gehrden dargestellt. Aber nur bei wenigen Kommunen sind die äußeren Umstände so günstig, dass sie diese öffentlichen Güter finanzieren können.
Dabei ist der Aufwand für den Vereinssport gar nicht so beträchtlich, im Gegenteil. Die Sportvereine tragen einen nicht unbeträchtlichen Teil der Ausgaben für Bau und Instandhaltung ihrer Sportplätze selbst, nur der Bau des Kunstrasenplatz für den SV Gehrden war hier eine negative Ausnahme. Eine Zusammenstellung der Zuschüsse durch die Stadt Gehrden an die Sportvereine war dem Protokoll der Besichtigung der Sportplätze beigefügt.
Kurzgefasst, würde ich mir wünschen, dass die Stadt Gehrden den Sportvereinen soweit entgegenkommt, wie es die Finanzlage bei wohlwollender Betrachtung hergibt. Das heißt auch, dass man sich bis auf weiteres von der Vorstellung eines ausgeglichenen Haushaltes verabschieden sollte – so lange, bis ein Bundes- und Landespolitik endlich in der Lage sind, den Kommunen die Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, damit sie die öffentlichen Güter bereit stellen kann, die ihrer Bürgerinnen und Bürger erwarten.