Heute war die erste Sitzung des Ausschusses für Finanzen und öffentliche Einrichtungen in der aktuellen Legislaturperiode. Die Sitzung war für die von mir sonst gewohnten Verhältnisse extrem kurz, ziemlich genau 30 Minuten. Es stand ja auch nur 3 wesentliche Punkte auf der Tagesordnung: 1) Fortschreibung des Mitspiegels, 2) außerordentliche Reduzierung der Abwassergebühren für 2017 (2018 sind sie dann wieder genauso hoch), und 3) Beschluss eines Nachtragshaushalt für 2016. Alle Dokumente zu Sitzung sind hier zu finden.
Die ersten beiden Punkte sind zwar auch interessant, aber der dritte ist so wichtig, dass ich mich gezielt auf ihn vorbereitet hatte, und im Voraus folgende Wortmeldung formuliert hatte:
Für die zusätzlichen Ausgaben in dem vorliegenden Nachtragshaushalt gibt es zwei wesentliche Gründe. Der eine Grund ist das Anwachsen der Stadtverwaltung. Dies ließe sich an dieser Stelle nur bedingt thematisieren, gehört aber auf jeden Fall in den Verwaltungsausschuss, in dem die zusätzlichen Stellen auch beschlossen worden sind.
Der andere Grund sind die bundespolitischen Vorgaben: Flüchtlingsaufnahme, Schulen, Kinderbetreuung. Je länger ich darüber nachdenke, desto merkwürdiger finde ich das. „Stundenaufstockungen im Schulsekretariat“? Wieso muss dies eine Kommune finanzieren? Wieso macht das Kultusministerium nicht eine Vorgabe für die Stundenzahl der Sekretariatskräfte in Abhängigkeit von der SchülerInnenzahl der Schule, und trägt die Ausgaben über den Landeshaushalt?
Beim Rechtsanspruch auf einem Kita-Platz ist das Problem noch deutlicher. Wenn eine Kommune nicht verklagt werden will, dann muss sie die Kitaplätze bereitstellen, und das dafür notwendige Personal einstellen. Die Kosten dafür muss sie irgendwie tragen, und diese Kosten sind in Kommunen mit vielen betreuten Kindern natürlich höher.
Und bevor jetzt irgendjemand vorschlägt, dass eine Kommune ja bei der Qualität sparen kann, auch wenn sie die Ausgaben sonst nicht abweisen kann: Es kann nicht sein, dass die Qualität der Schulen oder der Kinderbetreuung davon abhängt, ob eine Kommune arm oder wohlhabend ist. In der Region Hannover oder im Umfeld anderen Großstädte würde dies ja zur Folge habe, dass viel weniger Leute in die ärmeren Kommunen ziehen, und diese Kommune dann noch ärmer werden.
Kurz gesagt: Die zusätzlichen Ausgaben sind sinnvoll, insbesondere auch die für die Aufnahme von Flüchtlingen, und daher werde ich natürlich für den Nachtragshaushalt stimmen, d.h., wir haben auch eine parteienübergreifende Mehrheit dafür, ca. 200.000 € zusätzliche Schulden zu machen.
Damit enden allerdings die Gemeinsamkeiten auch, denn ich weigere mich zu akzeptieren, dass den Kommunen zu wenig Geld für die ihnen zugewiesen Aufgaben zu Verfügung steht. Ich verstehe nicht, wieso die KommunalpolitikerInnen, deren Parteien die Regierung stellen (oder, im Fall der FPD, die Regierung stellen würden, wenn sie nur die 5% Hürde schaffen würden) keine erkennbaren Anstrengungen unternehmen, ihr bundespolitisches Personal einfach mal komplett auszuwechseln, die Listenaufstellungen für die Bundestagswahl sind ja in den nächsten Monaten.
In einer Demokratie sind unterschiedliche Auffassungen darüber, welche öffentlichen Güter durch die Kommunen bereitgestellt werden sollen, sicherlich zulässig. Dass den Kommunen jedoch nicht die nötigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden, um die ihnen zugewiesen Aufgaben zu erfüllen, kann nicht legitim sein, unabhängig davon, welche konkrete Meinung zu den jeweiligen Aufgaben hat. In diesem Fall besteht sogar ein übergreifender Konsens dazu, dass die Ausgaben sinnvoll sind, aber dass es eigentlichen ein Skandal ist, dass die Bundes- und LandespolitikerInnen in diesem Land seit Jahren die Strategie fahren, den Kommunen Kosten aufzubürden, ohne dass deren Finanzierung geklärt ist, dies darf auf keinen Fall unter den Tisch fallen.
Die letzten beiden Absätze habe ich in dann auf der Sitzung weggelassen. Zu Hause beim Formulieren war ich wohl mehr auf Konfrontation aus gewesen als in der konkreten Situation.
Die Sache ist insofern als Erfolg zu werten, als dass die Calenberger Zeitung in ihrem unverzüglich erschienenen Bericht der Sitzung den Punkt erwähnt und mich dabei namentlich zitiert. Natürlich freue ich mich, dass mein Name in der Zeitung steht, aber viel wichtiger ist, dass dies überhaupt thematisiert wird.
Wenn die Demokratie in Deutschland irgendwie funktionieren soll, dann muss die Sache so lange thematisiert werden, bis sich die Finanzierung der Kommunen verbessert. Natürlich bin ich bei der Frage, welche öffentlichen Güter (Straßen, Schulen, Kindergärten, Schwimmbäder, …) die Gesellschaft für alle ihre Bürger bereit stellen sollt, radikaler als andere Ratsmitglieder in Gehrden und stelle, bei Gelegenheit, sehr weitreichende Forderungen. Wenn PolitikerInnen anderer Parteien da eine andere Auffassung haben, welche öffentlichen Gütern sinnvollerweise vermittelst des Staates bereit gestellt werden sollen, dann kann ich das meistens respektieren; derartige wohlbegründete Meinungsverschiedenheiten gehören zu einer Demokratie dazu, nur auf diese Weise lassen sich die unterschiedlichen Meinungen der Menschen überhaupt abbilden und im Parlament repräsentieren. Was ich nicht akzeptieren kann ist die Heuchelei der Regierungsparteien – z.B. einerseits den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz beschließen, andererseits aber den Kommunen nicht die nötigen Gelder dafür zu Verfügung zu stellen.
Die Finanzierung derartiger Anliegen, dich ich selbst ja sogar in einer radikaleren Variante vertrete, wäre sicherlich möglich, im Zweifelsfall über Erhöhung des Spitzensteuersatzes, eine Vermögenssteuer oder eine Finanzmarkttransaktionssteuern. Die Bundesregierung hat, wenn sie will, auch sehr viel Spielraum bei Steuererhöhungen, im Gegensatz zu einer Kommune, für die es bei Grund- und Gewerbesteuer kaum Spielraum gibt. Es gibt also keinen vernünftigen Grund dafür, dass die Bundesregierung, z.B. durch den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, den Kommunen kosten aufbürdet, und nicht zugleich deren Finanzierung dauerhaft sicherstellt; faktisch werden, öffentliche Güter wie Kinderbetreuung zwar bereit gestellt, um die WählerInnen nicht zu verprellen, aber die Kosten dafür werden in den Haushaltsdefiziten der Kommunen versteckt, um nicht die Reichen und Wohlhabenden mit stärker Steuern zu belasten. Dies muss man ist mindestens unehrlich nennen, eigentlich aber sogar heuchlerisch.