Energiewende auf kommunaler Ebene

Bei der Energiewende tritt das gleiche Problem auf, wie bei vielen anderen politischen Fragen auch. Die Entscheidung, wie Deutschland langfristig seinen Bedarf an Elektrizität decken will, muss auf Bundesebene gefällt werden. Egal wie die Entscheidung jedoch ausfällt, die Kommunen müssen sie umsetzen, und zumindest manche Kommunen werden dabei größere Lasten tragen als andere.

Dass wir eine Energiewende brauche, eine Abkehr von der Stromerzeugung auf der Grundlage von Kohle und Atomkraft, sollte eigentlich inzwischen jeden klar geworden sein. Atomkraft ist für Stromerzeugung einfach nicht sicher genug, wie der Super-Gau in Fukushima gezeigt hat. Wer trotzdem noch der Meinung ist, dass die Risiken der Atomkraft vertretbar seien, der kann sich bitte diesen Kurzfilm auf Youtube anschauen.

Bei Kohlestrom ist der menschengemachte Klimawandel das Problem. Das betrifft auch die Stromerzeugung aus Erdgas, aber da ist der CO2-Ausstoß bei Erdgaskraftwerken vergleichsweise geringer ist, könnten Gaskraftwerke auch in Zukunft eine Rolle bei der Stromversorgung haben. Darüber hinaus stoßen Kohlkraftwerke auch hochgiftiges Quecksilber aus.

Nicht nur Atomkraft-, sondern auch Kohlekraftwerke müssen also eher früher als später dauerhaft abgeschaltet werden. Dafür müssen natürlich an anderer Stelle Windräder und Solaranlagen errichtet werden, und damit sind wir bei einem kommunalpolitischen Thema, nämlich der Diskussion um das ‚Repowering‘ der Windräder bei Leveste.

Irgendwann ab 2015 müssten die dortigen Windräder durch neue ersetzt werden, und dann könnten bis zu vier 200 m hohe Anlagen errichtet werden. Dazu gibt es eine gute Seite mit Fragen und Antworten auf leveste.de.

Ein Bericht der HAZ erwähnt, dass der Betreiber ab 2015 die derzeitigen 8 Anlagen durch 3 neue, entsprechend höhere ersetzen will. Dem Artikel zu Folge ist es jedoch fraglich, ob dies durchgeführt werden kann, da das Gebiet des Windparks zum Lebensraum einer Population des Roten Milan, eines geschützten Raubvogels, zählt.

Falls tatsächlich eine lokale Population des Raubvogels durch die Windräder bedroht ist, dann würde auf die Kommunalpolitik eine schwierige Abwägung zukommen: Das Interesse der Gesellschaft an einer nachhaltigen Energieversorgung gegenüber dem Interesse an der Erhaltung einer bedrohten Tierart. Eine andere Interessenabwägung der Region Hannover würde ich jedoch bestreiten. Diese gewichtet, so der bereits verlinkte HAZ-Artikel, die „ungestörte Wahrnehmung der Landschaft und den Naherholungseffekt zwischen Deister und Gehrdener Berg höher als die Windenergienutzung.“

Was wäre schlimmer: Ein paar Windräder in der Nähe des Gehrdener Berges einerseits oder wahlweise entweder die radioaktive Verstrahlung von Landstrichen durch nukleare Unfälle oder Klimakatastrophen durch den menschengemachten Klimawandel, inklusive der Notwendigkeit, küstennahe Städte aufgrund des gestiegenen Meeresspiegels aufgeben zu müssen?

Nun würden sie, als Gehrdener Bürgerin oder Bürger, wahrscheinlich sagen: ‚So krass ist das doch nicht. Ob das jetzt 5 Windräder mehr oder weniger in der Gemeinde Gehrden gebaut werden, das macht doch für den globalen Klimawandel keinen Unterschied.‘, und damit hätten sie zuerst mal recht. Aber wenn in jeder Kommune in Deutschland der Bau von Windrädern aus ästhetischen Gründen abgelehnt wird, dann macht das schon einen Unterschied. Genauso im globalen Maßstab: Falls ein Land wie die Niederlande oder Dänemark sich nicht an den globalen Bemühungen, den CO2-Austoß zu reduzieren, beteiligten würde, dann würde das wahrscheinlich keinen Unterschied machen (bei einem Land wie Deutschland aber schon, und erst recht im Fall der USA oder China). Wenn aber nun jedes Land mit der CO2-Reduzierung darauf warten würde, dass die anderen Länder die ersten Schritte machen, dann würde dieser global auch nie zu Stande kommen – und Länder wie Dänemark oder die Niederlande würde in ca. zwei Jahrhunderten zu 90% im Meer versinken.

Es gibt einen politikwissenschaftlichen Fachbegriff für die allgemeine Form dieses Problems. Es nennt sich Problem kollektiven Handelns. Mit der theoretischen Diskussion darüber ließe sich eine ganze Bibliothek füllen – die praktische Lösung kann jedoch ganz einfach sein. Für sinnvolle gemeinsame Ziele müssen alle Menschen bereit sein, kleinere Opfer zu bringen. Und auch wenn einige Windräder neben dem Dorf die „ungestörte Wahrnehmung der Landschaft“ beeinträchtigen, ist das ein vergleichsweise kleines Opfer, um den Klimawandel zu verhindern.

Zur Notwendigkeit einer dezentralen Energiewende

Die Notwendigkeit der Energiewende steht außer Frage. Es bliebe aber noch zu diskutieren, ob sie in der Form, in der sie gerade durchgeführt, sinnvoll ist. Dies betrifft nämlich die zweite kommunalpolitische Kontroverse zur Energiewende in Gehrden, die Diskussion um die Stromtrasse ‚SuedLink‘, deren Route voraussichtlich durch das Calenberger Land führen wird. ( www.con-nect.de/nc/gehrden/news/suedlink-als-erdkabel/archiv/2016/may/26.html )

Diese Stromtrasse wird aller Voraussicht nach, wenn sie in der Nähe von Gehrden vorbeiführt, als Erdkabel verlegt werden – was zwar nicht die ungestörte Wahrnehmung der Landschaft beeinträchtigt, aber dennoch mit zwei Problemen behaftet ist. Erstens darf in der Erde über der Trasse nichts wachsen, was tiefere Wurzeln hat, und zweitens wäre eine Störung in der unterirdischen Leitung ungleich schwerer zu beheben als bei einer überirdischen Stromtrasse.

Der Grund, aus dem überhaupt Stromtrassen gebraucht werden, die Elektrizität von der Nordsee nach Süddeutschland bringen, ist der, dass die Energiewende immer noch zu sehr den Interessen der großen Stromkonzerne entgegen kommt. Die großen Windkraftanlagen in der Nordsee durch Subventionen zu fördern war eine entsprechende politische Entscheidung. Die Energiewende selbst ist nicht ohne Subventionen oder eine selektive Besteuerung möglich, durch welche nachhaltig erzeugte Elektrizität preisgünstiger als Kohle- und Atomstrom wird. Spätestens wenn man daran denkt, mit viele Subventionen die Atomindustrie in Deutschland erst aufgebaut wurde, ist es sicherlich legitim, die Solar- und Windindustrie zu subventionieren.

Durch die Entscheidung, die Subventionen in große Windkraftanlagen in der Nordsee fließen zu lassen, werden jedoch wieder die großen Stromkonzerne gefördert – und erst daraus ergibt sich das Problem, den Windstrom von der Nordsee nach Süddeutschland zu transportieren. Hätte die Politik sich stattdessen für eine stärker dezentrale Energiewende entschieden, und würde z.B. Photovoltaik-Anlagen für Privathaushalte stärker subventionieren, würde Suedlink wahrscheinlich nicht nötig sein. Das vergleichsweise sonnenreiche Süddeutschland könnte den Wegfall seiner Atomkraftwerke durch Photovoltaik-Anlagen kompensieren, eine Herausforderung wäre allein der Ausgleich der bei Solarenergie unvermeidlichen Schwankungen der Stromerzeugung im Tagesverlauf. Die Windkraftanlagen in der Nordsee würde man natürlich trotzdem bauen können – und dafür die norddeutschen Kohlekraftwerke schneller abschalten können.

Dezentrale Energieversorgung hätte noch einen weiteren Vorteil: Wenn es zu einem lang anhalten Stromausfall kommen sollte, müssten die Folgen nicht so katastrophal sein. Mit entsprechenden technischen Lösungen (Akkus und die Möglichkeit, die Anlage ohne Netzanschluss zu betreiben) müssten Haushalte die über eine eigene Solaranlage verfügen, im Sommer auch bei einem Stromausfall ihren Lebensstil kaum einschränken – und selbst im Winter sollte die Elektrizität noch für Kommunikation reichen. Über dezentrale Stromversorgung zu diskutieren wäre sicherlich angemessener, als den Bürgern zu empfehlen, sich für den Fall eines Stromausfalls „mit warmen Decken und Kleidung wappnen und geladene Akkus für Computer, Handys und Telefone bereithalten“ . Hält die Gesellschaft hingegen an dem zentralistischen Modell der Stromerzeugung, dann führt die Abhängigkeit von Computern und Smartphones dazu, dass sie durch Stromausfälle stärker verwundbar wird.

Kommunalpolitisch lässt sich bei diesen Thema insofern was machen, als dass die Kommunen Solarenergie nach Möglichkeit fördern, und das die Region entsprechend Gebiete für Windkraftanlagen ausweisen kann – mit den jeweils damit verbunden Interessenabwägungen. Die grundsätzliche Entscheidung über die Ausrichtung der Energiewende ist hingegen eine bundespolitische; auf kommunaler Ebene lässt sich nur zu einem Anlass wie der Planung von Suedlink das Missfallen darüber äußern, dass weiterhin die Großkonzerne gefördert werden, statt kleinere, dezentrale Lösungen. An der Energiewende selbst führt kein Weg vorbei.

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